Über unsere Siedlungen

Altdörfer

Drei der vier Altdörfer des Niederen Oderbruchs gehören zur Gemeinde Oderaue; lediglich Altwriezen ist Teil der benachbarten Stadt Wriezen. Es sind Altmädewitz, Altreetz und Altwustrow - schon Jahrhunderte vor der „Trockenlegung“ des Bruchs existierende Siedlungen damaliger Fischer. Wegen ihrer nur wenige Meter höheren Lage ließen sie dörfliches Leben im Bruch zu, trotz der jährlich zweimal auftretenden, oft Monate dauernden Hochwasser des sein Flussbett häufig wechselnden Oderstromes; eine Verbindung zwischen den Bruchdörfern und den Siedlungen am Rande, am Barnim und den Höhen östlich der Oder, war dann nur mit dem Kahn möglich. Menschliche Besiedlung ist seit der Bronzezeit (7./6. Jhdt. v.u.Z.) nachgewiesen. Die Anlage als Rundlinge, heute noch sichtbar an der Lage der, ursprünglich giebelständigen, Wohnhäuser um einen Anger, wird auf die slawische Besiedlung zurückgeführt. Vieh konnte gehalten werden, das auf den Wiesen um die Dörfer stand. Ackerbau war auf dem nassen Boden nicht möglich. Der Dung wurde zum Bau hoher Wälle um die Dörfer genutzt, die zusätzlichen Schutz bei Hochwasser gaben. Die überreichen Fischbestände der Oderarme sicherten die Existenz. So ist es kein Wunder, dass die Fischerfamilien 1747 bei Beginn der Ausschachtungen für das heutige Flussbett und den neuen Deich, deren Ziel die Landgewinnung und die Ansiedlung von Bauern war, wütend dagegen ankämpften. Sie fürchteten um ihre Lebensgrundlage, den Fischfang. Nicht nur versagten sie trotz obrigkeitlicher Anordnung die Nutzung ihrer Kähne, sie zogen auch nachts zu den begonnenen Deichaufschüttungen, um sie zu zerstören. Trotzdem wurden aus den 19 Fischerfamilien von Mädewitz, den 28 von Reetz und den 13 aus Wustrow über die Jahrzehnte der Trockenlegung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfolgreiche Bauern mit großen Viehbeständen und Ackerflächen.

Neudörfer

Mit der 1747 begonnenen umfassenden und systematischen Trockenlegung des Oderbruchs in der Regierungszeit Friedrichs II. begann über die folgenden Jahrzehnte die Gewinnung von 110.000 Morgen fruchtbarsten Ackerlandes. Die aufwändigste Maßnahme war die Anlage eines 15 Kilometer langen Kanals, der bis heute als Bett der jetzigen (Neuen) Oder die Nordostgrenze der Gemeinde Oderaue - und damit Deutschlands zu Polen - bildet. Er wurde 1753 geöffnet, führte aber über viele Jahrzehnte noch nicht das gesamte Oderwasser, da auch das alte Flussbett – mit deutlich verringerter Wassermenge – weiter genutzt wurde. Das neu gewonnene Land im Niederoderbruch diente dem Hauptziel der sogenannten „Oderbegradigung“, der Ansiedlung von etwa 1.134 Kolonistenfamilien aus allen (nichtpreußischen) deutschen Landen, aber auch aus Polen, Frankreich, Österreich, Schweden und der Schweiz. Ein anderes Ziel war die Verkürzung des Schifffahrtsweges (um 27 Kilometer) und die Beschleunigung des Wasserabflusses, was auch dem Warthe- und Netzebruch zugute kam. Auf den langsam trocken fallenden Gemarkungen der Altdörfer, meist in königlichem Besitz, wurden die Neudörfer mit einheitlicher Grundrissstruktur, meist schnurgerade als ein- oder zweizeilige Straßendörfer angelegt. Ihr Name orientierte sich mit „Neu-“ als Vorsilbe nach den Dörfern, auf deren ursprünglicher Gemarkung sie angelegt worden waren. Die Kolonisten erhielten je nach ihrer bisherigen Tätigkeit, der Familiengröße, dem mitgebrachten Vermögen per Erbzinsverschreibung 2,5 bis 30 Hektar Land zugemessen. In den Dörfern des Königs wurden zusätzlich Wohn- und Wirtschaftsgebäude kostenlos erstellt, die Neubürger waren zunächst von Lasten und Abgaben und die Söhne vom Wehrdienst befreit. Zur Anlage weiterer Neudörfer verpflichtete der König auch die ebenfalls weite Ländereien Besitzenden, den Johanniterorden, den Adel und die Stadt Wriezen. Sie hatten von der auf Staatskosten erfolgten Trockenlegung ebenfalls profitiert. Nach den Bevölkerungsverlusten im dreißigjährigen Krieg (ein bis zwei Drittel der früheren Bewohner!), sprach man für das Land Brandenburg von einer neuen „Provinz“ - mit über 10.000 neuen Bürgern. Die heutigen Ortsteile Neuküstrinchen (1755) mit Neuranft, Spitz, Paulshof und Chris-tiansaue, Neurüdnitz (1762) mit Bienenwerder, Neureetz (1757) mit Adlig Reetz, Croustillier und Königlich Reetz sowie Neuwustrow (1766) mit Friedrichshof entstanden auf diese Weise. Die Altdörfer Cüstrinchen (Kostrzynek) und Rüdnitz (Rudnica) liegen heute am Ostufer der Oder in Polen. Der Name des weiteren Ortsteils der Gemeinde Oderaue, Zäckericker Loose, mit Zollbrücke, nach der Trockenlegung auf der Gemarkung von Zäckerick, heute Sikierki, angelegt, zeugt von einer weiteren Besonderheit des Oderbruchs: Mit der staatlich verordneten Separation der Gemengelage von Flurstücken in privatem, adligem und königlichem Besitz, des Acker-, Wiesen- und Weidelandes, ihrer Zusammenlegung und Wiederaufteilung in zusammenhängende Flächen, entstand für einzelne Dorfbewohner das Problem, dass ihr Land nun, zwar zusammenhängend, aber weit außerhalb des Dorfes lag. Diese Flächen waren zugelost worden, der Besitzer baute seinen Hof dort einzeln stehend wieder auf, sie hießen nun Loose-Höfe! Sie finden sich heute noch in allen Dörfern. Um die Zäckericker Loose entstanden später neue Wohnplätze, die nun den Ortsteil bilden. (Dr. Udo Schagen)